1Einführung
Der Begriff "Artificial Intelligence" (AI) wurde von McCarthy in 1956 eingeführt. "Künstliche Intelligenz" (KI) ist die deutsche Übersetzung. Es gibt keine exakte Definition der Künstlichen Intelligenz. Eine naheliegende Charakterisierung wäre: die Künstliche Intelligenz ist die Nachahmung der menschlichen Intelligenz durch den Computer. Was ist aber die menschliche Intelligenz? - Die Auffassungen darüber sind subjektiv, vage und relativ (vgl. IQ) und geben Anlass zu vielen Fehleinschätzungen und Missverständnissen bezüglich AI.
Turing Test (Turing 1950)
Ein Mensch (Beobachter) kommuniziert über eine Benutzerschnittstelle (Tastatur und Bildschirm) mit einem Computer und mit einem Menschen. Wenn der Beobachter nicht zwischen dem Computer und dem Menschen unterscheiden kann, dann ist der Computer (künstlich) intelligent.
Andere Versuche, AI zu charakterisieren sind:
- AI möchte erreichen, dass der Computer Leistungen hervorbringt, welche den Menschen intelligent erscheinen (Winston).
- AI befasst sich damit, wie Computer Probleme lösen könnten, welche Menschen gegenwärtig besser lösen (Rich).
- AI befasst sich mit approximativer Lösung von kombinatorischen Problemen unter Verwendung von Heuristiken.
- AI ist ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Automation des intelligenten Verhaltens befasst (Luger & Stubblefield).
Künstliche Intelligenz wird in zwei Hauptgebiete unterteilt:
- Kognitive Psychologie
Studium der menschlichen Intelligenz, Modellieren und Simulation im Computer. Wichtig: Verständnis der menschlichen Denkvorgänge, des Lösungswegs. - Angewandte AI (problemorientierte AI)
Realisierung "intelligenter" Computersysteme für spezielle Anwendungen ohne Rücksicht darauf, ob in ihnen die menschlichen Denk- und Lösungsvorgänge nachgebildet werden. Wichtig: Effizienz, äussere beobachtbare "Intelligenz".
Beispiel zur Illustration: Schach. Im Jahre 1997 verliert zum ersten Mal der amtierende Schachweltmeister (Kasparow) gegen einen Computer (Deep Blue).
AI-Hypothese (Newell, Simon, 1976)
Newell, Simon stellten die "Physical Symbol System Hypothesis" auf, wonach sich Intelligenz durch Symbole und deren Manipulation beschreiben und im Computer modellieren lässt. Dreyfus (1972, 81, 86) kritisiert diese Hypothese und behauptet, dass Intelligenz nicht formalisierbar ist.
Methoden und Anwendungen
Die wichtigsten Methoden der AI sind: symbolische Datenverarbeitung, Wissensrepräsentation, Suche im Zustandsraum, Heuristiken, logische Deduktion und Theorembeweisen, Induktion, neuronale Netzwerke.
Die wichtigsten Anwendungsgebiete der AI sind: wissensbasierte Systeme (Expertensysteme), Verarbeitung (Verstehen) natürlicher Sprachen, Bildverarbeitung (Computer Vision), Robotertechnologie (Planen von Roboteraktionen), etc.
Intelligente Systeme
Intelligente Systeme bestehen aus zwei grundlegenden Komponenten: einer Wissenskomponente und einer Ableitungskomponente.
Intelligentes System: | Mensch |
---|---|
Wissen (explizit): | Gedächtnis |
Inferenz (Ableitung impliziten Wissens): | Denken |
Intelligentes System: | Datenbankprogramm |
Wissen (explizit): | Datenbank |
Inferenz (Ableitung impliziten Wissens): | SQL Programm |
Intelligentes System: | Expertensystem |
Wissen (explizit): | Wissensbank |
Inferenz (Ableitung impliziten Wissens): | Inferenzmethode |
Intelligentes System: | Wissen (explizit) | Inferenz (Ableitung impliziten Wissens) |
---|---|---|
Mensch: | Gedächtnis | Denken |
Datenbankprogramm: | Datenbank | Programm |
Expertensystem: | Wissensbank | Inferenzmethode |
Bei der allgemeinen Problemlösung wird die "Welt" (der interessierende Weltausschnitt) im Computer modelliert, dann das Problem im Computer gelöst und danach die Lösung in der Welt interpretiert:
Welt | |
Wissensrepräsentation | |
Modell | |
Problemlösung Inferenz |
|
Lösung | |
Interpretation | |
Welt |
Wissensrepräsentation | Problemlösung | Interpretation | ||||
Welt | Modell | Lösung | Welt | |||
Inferenz |
Beispiel: Blockwelt, Blöcke A, B, C
Fig. 1.1: Ein Problem
Fig. 1.2: Ein Zustandsraum
Fig. 1.3: Ein Suchbaum
Wissensrepräsentation: | Zustandsraum, Zustandsübergänge Anfangszustand {[CAB]} Endzustand {[ABC]} Zwischenzustände {[BA], [C]}, {[A], [B], [C]}, ... |
Lösung: | Suche im Zustandsraum |
Interpretation: | trivial |
Kombinatorische Explosion (exponentieller Rechenaufwand) macht die vollständige Suche praktisch unmöglich. Mensch kann es (approximativ), indem er Heuristiken verwendet.
Beispiel: Schach
10120 Positionen.
Rechenzeit: 1010 Positionen / sec. => alle Positionen ca. 10100 Jahre.
Vergleiche: Alter des Universums 1010 Jahre, Anzahl Atome 1077.
Heuristik: maximiere den Materialgewinn in jedem Zug.
Bewertung: Dame 10, Turm 5, Läufer 3, Springer 3, Bauer 1.
Wissensrepräsentation
In den Anfängen der AI wurden vor allem die Problemlösungsmethoden untersucht in der Hoffnung, mächtige universelle Formalismen zu entdecken (z.B. GPS = General Problem Solver). Man hat einsehen müssen, dass ein "GPS" nicht realisierbar ist, und dass die "Intelligenz" eines Systems vor allem durch eine grosse Menge fachspezifischen Wissens bestimmt wird. Dies hat zur Betonung der Wissensrepräsentation und der wissensbasierten Systeme (Expertensysteme) geführt.
Das Wissen kann grundsätzlich deklarativ oder prozedural repräsentiert werden.Deklarative Wissensrepräsentation
Es wird repräsentiert, "was" über das Problem bekannt ist ("statisch"), nicht "wie" das Problem gelöst wird.
Spezifikation, Definition.
Implementierungsunabhängig, rechen- und speicherintensiv.
Beispiele:
- √ y ist die Zahl x, sodass x2 = y
- eine Brücke ist / \
Prozedurale Wissensrepräsentation
Es wird repräsentiert "wie" das Problem gelöst wird, d.h. welche Lösungsschritte in welcher Reihenfolge zu tun sind.
Algorithmus, Prozedur, Anleitung (z.B. zur Reparatur).
Effizient, implementierungsabhängig.
Beispiele:
- x wird so berechnet: x0 = y/2, xn+1 = (xn + y/xn) / 2
- eine Brücke wird gebaut, indem ...
Mathematische Logik (Prädikatenlogik 1. Stufe)
Logik stellt einen universellen Formalismus für die deklarative Wissensrepräsentation dar und bildet die konzeptuelle Basis aller anderen Repräsentationsmethoden. Die Benützung (Ausführung) geschieht durch das automatische Theorembeweisen. Leider ist diese Methode sehr ineffizient.
Wissensbank: | logische Formeln (Axiome) A1, A2, ... An. |
Problem: | logische Formel Q. |
Lösung: | Beweis A1, A2, ..., An => Q mit Variablenbindungen in Q. |
Prolog
Die Sprache Prolog basiert auf Logik und ist effizient ausführbar. Prolog gestattet deklarative und prozedurale Wissensrepräsentation. Das "Pure Prolog" entspricht (bis auf Ausführung) den Horn Klauseln und ist also eine Teilmenge der Prädikatenlogik 1. Stufe.
Fig. 1.4: Prolog und Logik